Arbeitstagung/Informationsveranstaltung
"Aufmerksamkeits- und Sprachentwicklungsstörungen:Neurolinguistisches Labor, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Kinder- und Jugenalter,
Universitätsklinikum Freiburg i.Br.
in Zusammenarbeit mit
der Abteilung für Pädaudiologie (HNO), Universitätsklinikum Freiburg i.Br.
dem Cochlea-Implantat-Zentrum Freiburg i.Br.
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Wir möchten uns an dieser Stelle für die
finanzielle Unterstützung der folgenden Firmen bedanken, ohne die eine Veranstaltung dieser Art und Größenordnung nicht durchführbar wäre
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1. Sind Sprachentwicklungsstörungen, sind kindliche Aufmerksamkeitsstörungen eine Zivilisationskrankheit? Stimmt es, dass die Zahl entwicklungsgestörter Kinder unentwegt steigt? (In der Öffentlichkeit und in der Presse kursieren Angaben von ca. 3% bis ca. 25% eines Jahrgangs! )
2. Wichtiger noch: Was begründet die hohe Komorbidität von Sprachentwicklungsstörungen u.a. mit Krankheitsbildern wie den hyperkinetischen Störungen und sonstigen Aufmerksamkeitsstörungen? Wir wissen bisher kaum etwas über die kausalen Zusammenhänge; allerdings gibt es für die Sprachentwicklungsstörungen wie auch für die Aufmerksamkeitsstörungen mittlerweile empirisch gut begründete Modelle über zugrundeliegende Defizite in der zentralen sensorischen Informationsverarbeitung. Hier sind insbesondere die Untersuchungen von Frau Tallal und Mitarbeitern zu den zentral-auditiven Verarbeitungsdefiziten bei den Sprachentwicklungsstörungen und die Ergebnisse der Arbeitsgruppen um Hillyard und Näätänen bei den Aufmerksamkeitsprozessen zu erwähnen.
3.1. Gerade der Zusammenhang der Sprachentwicklungsstörungen mit den Hyperkinetischen Störungen (HKS) gibt Rätsel auf: Bei den HKS-Kindern besonders wirksam sind Medikamente, die das zentrale Nervensystem stimulieren, die also nicht "beruhigend" wirken. Dennoch nehmen die für die Hyperkinetischen Störungen so typischen Symptome wie motorische Überaktivität und Impulsivität ab. Dies lässt die Vermutung zu, dass wir es bei diesen Störungen mit einer zu geringen Aktivierung (bestimmter) zentraler Verarbeitungsprozesse zu tun haben, welche die Kinder möglicherweise fortwährend zu kompensieren versuchen (wobei solche Kompensationsprozesse natürlich nicht bewusst erfolgen).3.2. Auch für Sprachentwicklungsstörungen werden in letzter Zeit intensiv reduzierte zentrale (zentralauditive) Verarbeitungsprozesse diskutiert: Die entsprechenden Kinder brauchen zur Verarbeitung einzelner Stimuli mehr Zeit (das betrifft sowohl die Präsentationsdauer einzelner Stimuli wie bei aufeinanderfolgenden Stimuli die Geschwindigkeit der Stimulusfolge). Ziemlich neu sind hier Studien, die vermittels hirnelektrischer Ableitungen belegen, dass bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen die Frequenzen im EEG erniedrigt sind, - ein Phänomen, das wir sowohl bei viel jüngeren Kindern wie auch bei bestimmten Krankheitsbildern, die mit einer allgemein verlangsamten Informationsverarbeitung einhergehen, finden.
3.3. Lassen sich möglicherweise auch bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen durch Medikamente, die das zentrale Nervensystem stimulieren, positive Rückwirkungen auf die sprachliche Entwicklung erwarten?
4.1. Bestimmte Fragestellungen lassen sich erst bei Entwicklung geeigneter Untersuchungs- und Meßverfahren bearbeiten: Eine wesentliche Erweiterung der Untersuchungsansätze und Vertiefung unseres Verständnisses ergab sich durch die Verwendung von ereigniskorrelierten Potentialen (EKP). Hier wurde erstmals unabhängig von der bewußten Signalverarbeitung und damit auch unabhängig von der motorischen Reaktion der Probanden die Möglichkeit eröffnet, zugrundeliegende Teilprozesse meßbar zu machen. Vor allem im Bereich der frühen zentralen Reizverarbeitung haben zwei EKP-Komponenten, nämlich die "mismatch-negativity" (Näätänen, 1992) und die "processing-negativity" (Hillyard und Kutas, 1983) Bedeutung erlangt. Diese Komponenten stehen sowohl mit Aufmerksamkeitsprozessen wie auch mit Prozessen der Reizdiskrimination in enger Beziehung und können wichtige Beiträge über den Zusammenhang zwischen Sprachentwicklungsstörungen und Aufmerksamkeitsstörugen liefern. 4.2. In Freiburg haben sich das Neurolinguistische Labor und die 'Kinder- und Jugendpsychiatrie' der Universitätskliniken im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes zum Zusammenhang von "Aufmerksamkeit und Sprachentwicklung" auf die "mismatch-negativity" und die "processing-negativity" konzentriert. Sie stehen damit aber nicht alleine: Gleichartige Forschungsansätze werden im deutschsprachigen Raum in Zürich, in München und in einem Gemeinschaftsprojekt Berliner und Leipziger Kollegen (Max-Planck-Institut für Neuropsychologie) verfolgt. Es lag nahe, deshalb die betreffenden Arbeits- und Forschungsgruppen nach Freiburg einzuladen und eine gemeinsame Arbeitstagung und Informationsveranstaltung zu organisieren. Diese Veranstaltung wird am Freitag, den 13. Dezember 2002 in den Räumen der Albert-Ludwigs-Universität (KG I, Eingangshalle und Hörsaal 1098) stattfinden. 5.1. Die Arbeitstagung und Informationsveranstaltung "Aufmerksamkeits- und Sprachentwicklungsstörungen" versucht, den Austausch zwischen den teilnehmenden Wissenschaftlern und die Information ('Informationen aus erster Hand') betroffener Eltern, Lehrer und Therapeuten zu kombinieren. Das verlangt von den beteiligten Wissenschaftlern ein Maximum an Verständlichkeit und Vermittlungsarbeit; wir erwarten allerdings auch von den Eltern, Lehrern und Therapeuten, daß sie auf die schwierigen Fragen, um die es geht, nicht voreilig einfache Antworten erhoffen, und sich der Komplexität der Probleme stellen.5.2. Programm
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9,15 - 9,30
Eröffnung durch den Prorektor für Forschung der
Albert-Ludwigs-Universität, Prof. Dr. St. Pollak
9,30 - 10,00
Fischer / Schäffler / Sonntag, Freiburg: Sprachfreie auditive Differenzierung:
Diagnostik, Training und Transfer auf sprachgebundene Leistungen
10,00 - 10,30
D. Berwanger, München: Zeitverarbeitung bei Kindern mit
Sprachentwicklungsstörungen - beurteilt anhand von 'Ordnungs-' und 'Fusionsschwelle'
10,30 - 11,00 Pause
11,00 - 11,30
P. Matulat, Münster: Die binaurale Interaktionskomponente der frühen
akustisch evozierten Potentiale. Ein Ansatz zur objektiven Diagnostik auditiver
Selektionsstörungen?
11,30 - 12,00
G. Schulte-Körne, Marburg: Zur Bedeutung der mismatch-negativity (MMN) und zu
ihrem Einsatz
12,00 - 12,30
Brandeis / Drechsler / Maurer, Zürich: Neurophysiologisches Mapping von
Lesenlernen und Dyslexie-Risiko
12,30 - 14,00 Mittagspause
14,00 - 14,30
Hennighausen / Schecker, Freiburg: Zum Zusammenhang von
Aufmerksamkeits- und Sprachentwicklungsstörungen (auf der Basis neuropsychologischer
Daten)
14,30 - 15,00
Schecker / Hennighausen, Freiburg: Hirnelektrische Ableitungen bei
sprachentwicklungsgestörten Kindern: Fragestellung und Problemhorizont
15,00 - 15,30
G. Kochendörfer, Freiburg: Zur 'neuronalen Realität' von Silben und Phonemen
15,30 - 16,00
L. Glass und B. Sabisch, München: Akustisch und visuell evozierte P3 bei
sprachentwicklungsgestörten Kindern - unter Berücksichtigung topographischer
Gesichtspunkte
16,00 - 16,30
R. Uwer, München: Altersentwicklung hirnelektrischer Potentiale
16,30 - 17,00 Pause
17,00 - 17,30
B. Fischer, Freiburg: Zur Wirkung von Ritalin auf visuelle und auditive
Wahrnehmungsstörungen
17,30 - 18,00
Schulz / Hennighausen, Freiburg: Wann und warum Ritalin?
18,00 - 18,30
Podiumsdiskussion "Ritalin": Hennighausen, Freiburg / Schecker,
Freiburg / Schellberg, Basel / Weber, Basel
19,00
'Ausklang' (Orgelkonzert in der Freiburger Universitätskirche)
Bitte achten Sie auch regelmäßig auf mögliche Programm-Änderungen!