cognitio: Kognitions- und neurowissenschaftliche Beiträge 
zur natürlichen Sprachverarbeitung

Herausgeber:  

Georges Lüdi (Basel), Michael Schecker (Freiburg), Martin Riegel (Strasbourg)

Band 6:  

Michael Schecker (in Zusammenarbeit mit M Faupel, B. Fischer und M. Gress-Heister):  
Sprache, Denken und Gedächtnis bei Alzheimer Demenz
Zwischenergebnisse aus dem Freiburger Forschungsprojekt
"Sprachabbau bei dementiellen Syndromen"
Tübingen: Gunter-Narr-Verlag (In Vorbereitung). ISBN 3-8233-5733-6

 

Die Publikation berichtet einerseits über die Auswertung semi-standardisierter Interviews und andererseits über die Ergebnisse einer Testserie, die wir im Winter 1997/98 und zu Beginn des Jahres 1998 mit Patienten verschiedener Einrichtungen im südbadischen Raum durchführen konnten.

Was die bisher vorliegenden Ergebnisse angeht, so fallen einmal die schon bei früher und mittlerer Demenz (4 bis 5 auf der Reisbergskala) auftretenden Schwierigkeiten im Umgang mit dem aktuellen Kontext auf; Ausdrucksmittel und Ausdrucksverfahren, die eine auch nur etwas komplexere Repräsentation des Anwendungskontextes verlangen, können nicht mehr adäquat eingesetzt werden und werden umgangen.

Ebenfalls sehr früh treten Defizite im Umgang mit alltäglichen 'Kommunikationsstörungen' unterschiedlichster Art auf; die Patienten bekommen Schwierigkeiten, 'verrauschten' bzw. unvollständigen Input zu ergänzen; sie vermögen zunehmend weniger, Abbrüche, Überblendungen und schlichte grammatische Fehler korrekt zu verarbeiten; und sie scheitern zunehmend trotz eindeutigem Kontext an Mehrdeutigkeiten, Indirektheiten und bildhafter Redeweise.

Neuartig dürfte die Nutzung von Simulationen auf einem strikt neurobiologisch orientierten künstlichen neuronalen Netzwerk sein. Wir konfrontieren die beobachteten Veränderungen und Auffälligkeiten mit den Ergebnissen von Simulationsexperimenten und kommen auf diese Weise zu Erklärungsansätzen einer Präzision, wie sie in der bisherigen Fachliteratur ihresgleichen sucht.

Die bisherigen Ergebnisse scheinen uns auch diagnostisch und differentialdiagnostisch außerordentlich interessant zu sein. Sie legen überdies ganz neuartige therapeutische Interventionen nahe.

Inhalt

Vorwort

 1 Einleitung
1.1 Der Projektzusammenhang
1.2 Ätiologie und Epidemiologie dementieller Syndrome
1.3 Differentielle Symptomatologie dementieller Syndrome

2 Forschungsüberblick, Testdesigns und Auswertungsverfahren
2.1 `Language disturbances' im Überblick
2.2 Theorie-geleitete Hypthesenbildung
2.3 Gruppenstudie vs. Einzelfallstudie / Quantitative vs. qualitative Auswertung /Korpusanalyse (Spontansprache) vs. Tests

3 Sprachverarbeitung und die `mentale Repräsentation des Anwendungskontextes' bei Alzheimer-Demenz
3.1 Wortfindungsstörungen in elizitierter Spontansprache
3.2 Pronominale Verweisformen im Text
3.3 Adverbiale und postnominale Nominalisierungen
3.4 `Klammerkonstruktionen'
3.5 Erklärungsversuch 1

4 Fehler-Verarbeitung, Vervollständigung, Monosemierung: `Prädiktive Steuerung' bei Alzheimer-Demenz
4.1 Abbrüche und Ersetzungen / Auslassungen in der Spontanproduktion
4.2 Verarbeitung von Selektionsrestriktionen
4.3 Mehrdeutigkeit, referentielle Vagheit, `Rauschen'
4.4 `Konkretistisches' Sprachverstehen
4.5 Erklärungsversuch 2

5 Erklärung und Simulation
5.1 Künstliche neuronale Netze: Funktionsweise und Architektur
5.2 Simulationsexperimente: Zur Simulation von Pathologien
5.3 Ansätze zu einer einheitlichen Erklärung der Leistungsdefizite bei früher Alzheimer-Demenz

6 Folgedefizite und Adaptationsversuche
6.1 Einbrüche in der sprachlichen Kompetenz
6.2 Reduktionen der sprachlichen Ausdrucksmittel und Ausdrucksverfahren; der `Teufelskreis der Adaptation'
6.3 Deprivation und Ausgrenzung: Über den Umgang unserer Gesellschaft mit Alzheimer-Kranken
6.4 Folgerungen für die Diagnose und die Therapie dementieller Erkrankungen vom Alzheimer-Typ

Ausblick

Literatur